Wie oft hast du mir gesagt, meine Liebe erhelle,
erhebe dein ganzes Leben, und nun findest du
unser Verhältnis schädlich. Wie viel hättest du
ehmals gegeben, dir dies Schädliche zu erringen.
Aber so seid Ihr, das Errungene hat Euch immer Mängel.
Karoline Günderode
*
11. Februar 1780 in Karlsruhe † 26.7.1806 in Winkel (Rheingau)
Leben
Karoline Friederike Louise Maximiliane von Günderode (Pseudonym Tian) wurde
1780 in Karlsruhe geboren. Sie verlor den Vater im Alter von 6
Jahren. Daraufhin ließ sich die Familie in Hanau nieder.
Mit 17 besucht sie das Adelige Damenstift in Frankfurt. 1799 befreundet sie
sich mit Friedrich Carl von Savigny. Er wurde ihre erste große Liebe.
Zwischen 1800 und 1801 lernte sie Bettina (Bettina von Arnim) und
Gunda Brentano kennen, die spätere Frau von Savigny, und beginnt einen
Briefwechsel mit Clemens Brentano. Aus diesen Begegnungen ergaben sich
intensive Kontakte zu einem von der Jenaer Romantik geprägten Kreis um
Friedrich Schlegel, Johann Gottlieb Fichte, Ludwig Tieck und Clemens Brentano.
Früh zeichneten sich die Themen ab, die Karoline beschäftigen sollten:
Gefangenschaft und Freiheit, Liebe und Tod.
Auf einem Ausflug lernte Karoline 1804 den bedeutenden Philologen und
Mythenforscher Friedrich Creuzer (1771-1853) und seine dreizehn Jahre ältere
Frau kennen. Sie versprachen einander bis in den Tod zu lieben. Wegen
Karoline will Creuzer sich von seiner Frau scheiden lassen, kann sich aber doch
nicht entschließen. Der Gelehrte spielte zeitweise sogar mit dem Gedanken an
eine ménage à trois. "Meine Frau sollte bei uns zu bleiben wünschen -- als
Mutter, als Führerin unseres Hauswesens. Frei und poetisch sollte Ihr Leben
sein", schlug er Karoline vor.
Überhaupt: er bezog keine eindeutige Stellung. Was er in seinen Briefen
versprach und sich erhoffte nahm er imselben Brief wieder, oder bedauerte es.
Gleichzeitig ging es dem Mittdreißiger körperlich zusehends schlechter. Auch
seine Ehe litt; er war auch nicht gewillt mit seiner Frau zu schlafen. Fand er
sie nicht anziehend, oder sehnte er sich nach Karoline? Wohl beides ist wahr.
Doch in seinen Briefen zweifelte an ihr, an ihrer Liebe, an ihrer Tüchtigkeit
als Ehefrau. Seine Freunde und er hielten die Künsterlin und Philosophin, die
schrieb wie ein Mann, nicht für die Ehe und Wirtschaftsführung tauglich. In
der damaligen Zeit war dies aber im Grunde die einzig denkbare Rolle einer
Frau, und so wehrte sich Karoline vehement gegen ein solches Urteil.
Für Karoline, die sich sogar ein Kind von ihm wünschte, ergab sich eine zwei
Jahre währende, qualvolle Situation, in der keine Entscheidung fiel. Immer
wieder wurde sie von seinen Besuchen und Briefen mitgerissen - und immer wieder
wurde sie enttäuscht, hingehalten, zurück geworfen. Fast am Ende der Beziehung
gestand Creuzer Karoline schließlich in einem Brief, daß er finanziell abhängig
von Savigny sei; jener aber war gegen das Verhältnis mit Karoline. Auch wollte
er nicht, daß sich Creuzer scheiden ließ. Dieses zentrale Hindernis war
unlösbar.
Auszüge der Briefe an Creuzer
Ihre Briefe an Creuzer gehören zu den schönsten Liebesbriefen der deutschen
Literatur. Hier einige Auszüge. Im Juni 1805 schreibt sie ihm:
... Ich fasse die Änderung deiner Gesinnung nicht. Wie oft hast du mir
gesagt, meine Liebe erhelle, erhebe dein ganzes Leben, und nun findest du
unser Verhältnis schädlich. Wie viel hättest du ehmals gegeben, dir dies
Schädliche zu erringen. Aber so seid Ihr, das Errungene hat Euch immer
Mängel. ... Mir ist, du seist ein Schiffer, dem ich mein ganzes Leben
anvertraut, nun brausen aber die Stürme, die Wogen heben sich. Die Winde
führen mir verwehte Töne zu, ich lausche und höre, wie der Schiffer Rat
hält mit seinem Freunde, ob er mich nicht über Bord werfen soll oder
aussetzen am öden Ufer?
Sieh, in solcher Lage fühle ich mich, doch mein Gefühl entscheidet
nicht. Wenn du dich in Gefahr glaubst, rette dich, setze mich aus an das
Ufer. Niemand kann es tadeln, ich selbst nicht. Wenn dem innigsten heiligen
Leben Verderben droht, soll man es sicherstellen um jeden Preis. ... Du
wurdest ein Fremdling in deiner nächsten Umgebung, als du eine Heimat
fandest in meinem Herzen. So viele Opfer mußtest du mir bringen, wer weiß,
wie viele, die ich nicht kenne. Natürlich fragst du endlich, wohin das
führe? Du erblickst kein Ziel; darf ich dich aufhalten wenn du umkehrst,
die vernachlässigten Bande wieder neu anknüpfst, darf ich es nur versuchen,
nachdem du in deinem letzten Brief gestanden, dein Geist erlahme unter
einem so schwankenden Verhältnis? ... Daß ich durch mein schwankendes
Betragen dich und mich hierher geführt habe, das mußt du mir vergeben, weil
ich liebte. Ach so manches mußt du mir vergeben, du Einziger Teurer. ...
Nein, ich halte dich noch fest in meinen Armen, willst du entkommen, mußt
du gewaltig dich losreißen. ...
Am 6. Oktober 1805:
Es ist sehr gut von Ihnen, daß Sie mir so bald geschrieben. Es ist mir
jetzt auch in meinem Gemüte viel besser, obgleich ich die Lage der Sache
sehr schlimm finde. ...
Vergessen Sie nicht, den Tag zu bestimmen, wann Sie hierherkommen. ...
An der Haustüre sagen Sie Ihren Namen nicht und gehen gerade zu; treten Sie
jedoch mit gesetzter Fassung ein. Der Zufall könnte wollen, daß gerade
jemand bei mir wäre. ...
Einige Stellen Ihres Briefes haben mir ein schweres Nachdenken erregt. Ihre
Freunde fürchten, ich sei Ihrer unwürdig. ... Meine Liebe können Sie
doch nur allein verstehen, und jedes Urteil, das nicht von dieser ausgeht,
ist falsch.
Am 18. November aus Frankfurt:
... Das Schicksal ist besiegt. Du bist mein über allem Schicksal. Es kann
Dich mir nicht mehr entreißen, da ich Dich auf solche Weise gewonnen habe.
Im April 1806:
Wenn mich etwas in deinem Brief betrüben könnte, so ist es dies, daß du
zuweilen so entsagend, so, als sei es nicht notwendig, daß ich dir
angehöre, sondern Willkür, sprechen kannst. Da fühle ich immer, du fühltest
deine Liebe auch nicht recht notwendig, da wird mir bange für deine
Ausdauer. Du solltest anmaßender sein, mich mit Liebe und dann mit
Despotismus behandeln. Dann erst würde mir recht wohl und sicher. Ich habe
neulich einen fürchterlichen Augenblick gehabt. Es war mir, ich sei viele
Jahre wahnsinnig gewesen und erwachte eben zur Besinnung und frage nach dir
und erfahre, du seist längst tot. Dieser Gedanke war Wahnsinn, und hätte er
länger als einen Augenblick gedauert, er hätte mein Gehirn zerrissen. Drum
sprich nicht von anderem Liebesglück für mich.
Vergiß es doch nie, geliebte Seele, daß ich dein eigenstes Eigentum bin,
und sprich nie anders zu mir!
Aus Briefen im Mai 1806:
... Lieber, liebster Freund, solche Freude habe ich heute gehabt durch
den Empfang deines Buches, daß ich dir es gar nicht sagen kann. Außer den
Tagen, die du hier warst, habe ich noch keine so frohe Stunde gehabt als
heute. Dein liebes, liebes Sonett lesen ist mir nicht genug, ich muß es
auch an mein Herz drücken und küssen, als hätten Lippen den heißen, innigst
frohen Kuß zu erwidern. Ich bin ganz töricht vor Liebe und Freude. Das
nächste Mal will ich dir erst recht viel darüber schreiben. In drei Wochen
gehe ich nach Winkel, von dort aus schreibe ich dir, wie es eigentlich
ist. ... In dieser Woche hast du mir so oft Freude gemacht, erst die
Bilder, dein Brief, gestern die Bücher. Verdien ich auch das? Wird nicht
etwas von meiner Demut verschwinden? Nein, nein, immer bleib ich dein
Geschöpf, und das zu sein ist mein größter, mein höchster Stolz.
... Was du mir sagst, kommt mir vor, als hättest du Mitleid und wollest
mich und dich selbst trösten damit für das Vertrauen, das du raubst. Dafür
aber gibt es keinen Trost als den, daß diese schmerzliche Spannung in dir
nicht dauern kann. Mir ist, deine Augen seien sehr erkrankt. Ich fühle
deinen Schmerz und auch den meinen: daß ich nicht von dir gesehen werde,
und sehnsuchtsvoll sehe ich dem Augenblick entgegen, da dir das erfreuliche
Licht wieder geschenkt wird.
Warum nennst du mich auch in dem innersten Brief Sie?
Es befremdet mich, daß mein Brief Sophien Besorgnis erregt hat. Ich rede
doch nicht anders darin, als wie man von einem Freunde reden soll, der es
ist im ganzen Sinn. Ich dachte, Sophie hätte Gefühl für eine Freundschaft,
die mehr ist als das launige Gemisch, das gewöhnlich dafür ausgegeben
wird. Sieht es nicht aus, als dächte ich immer zu groß von ihr? Ich glaube
es ungerne. Was fürchtet sie doch von mir? Ich bin aufrichtig gegen sie,
darum ist sie unruhig. Dazu hätte sie natürliche Gründe, wenn ich mich
schlau versteckte. Ich kann sagen: ich habe in Sophiens Leben viele schöne,
lichte Punkte gesehen. Warum ist es ihr nicht gegeben, sie zu einem
schönen, haltbaren Ganzen zu verknüpfen? Warum müssen viele Augenblicke von
kleinem Mißtraun, von egoistischer ungegründeter Ängstlichkeit dazwischen
sein? Wie kann sie zugleich trauen und auch nicht, heute unser Verhältnis
gut heißen und morgen fürchten? Wie dich so lieben, daß sie dich um keinen
Preis verlassen kann, und sich doch bei ihren Bekannten ehemals über dich
beklagen? Bei Gott, das ist schwer zu verstehen! Auch die Folter sollte bei
mir keine Klage über dich abzwingen, auch wenn du ungerecht gegen mich
wärest.
... Wenn du kannst, schreibe bald und recht deutlich, wie es dir ist. Und
verzeihe mir meine Fehler! Sag auch, wie ich dir besser gefalle!
Freitod
Im Juni 1806 kommt es zum Bruch der Freundschaft mit Bettina Brentano, im
Juli trennt sich Creuzer von ihr. Er war schwer erkrankt und seine Frau hatte
ihn gesund gepflegt. Da schwor er ihr sich von Karoline zu trennen. Er gestand
ihr seine Abhängigkeit von Savigny, die er wohlweislich verschwiegen hatte, und
die für Karoline schockierend gewesen sein muß.
Aus dieser unerlösten Liebe, aber auch belastet von dem unlösbaren Konflikt
zwischen der von ihr erwarteteten Rolle aus lebenstüchtige Ehefrau und der
Künsterlin/Philosophin in ihr, erdolchte sie sich selbst im Alter von 26 Jahren
am Flußufer in Winkel am Rhein. Es soll gegen 10 Uhr abends gewesen sein, und
man fand sie erst am nächsten Morgen.
Sie wurde auf dem Friedhof der Winkeler Pfarrkirche St. Walburga bestattet.
Werk
Gedichte und Phantasien (1804), Poetische Fragmente (1805), Udohla in zwei
Acten (1805), Magie und Schicksal in drei Acten (1805), Geschichte eines
Braminen (1805), Nikator. Eine dramatische Skizze in drei Akten (1806), Der
Jüngling der das Schönste sucht (1806), Melete (1806, posthum veröffentlicht
1906), Aus dem Nachlaß, Briefe an Friedrich Creuzer.
Siehe auch | ( ) |
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Karoline von Günderode
Friedrich Carl von Savigny
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Die Günderode
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