(I) Atmen, du unsichtbares Gedicht !...

Atmen, du unsichtbares Gedicht !
Immerfort um das eigne
Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht,
in dem ich mich rhythmisch ereigne.

Einzige Welle, deren
allmähliches Meer ich bin ;
sparsamstes du von allen möglichen Meeren, -
Raumgewinn.

Wieviele von diesen Stellen der Räume waren schon
innen in mir. Manche Winde
sind wie mein Sohn.

Erkennst du mich, Luft, du, voll noch einst meiniger Orte ?
Du, einmal glatte Rinde,
Rundung und Blatt meiner Worte.

Rainer Maria Rilke  (1875-1926)

Aus: Die Sonette an Orpheus / Zweiter Teil



www.sternenfall.de · 30.7.2006 · info@sternenfall.de
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