Sehnt es dich aber, so singe die Liebenden; lange
noch nicht unsterblich genug ist ihr berühmtes Gefühl.
Rainer Maria Rilke: Die erste Elegie
*
4.12.1875 in Prag † 29.12.1926 bei Montreux (Schweiz)
Leben
Rainer Maria Rilke gehört zu den ästhetischen Lyrikern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er gilt als einer der
bedeutensten, deutschsprachigen Lyriker. Seine literarischen Zeitgenossen waren Stefan George, Hugo von
Hofmansthal, Georg Trakl, Franz Werfel.
Neben vielen Gedichten und einer grossen Menge von Briefen verfasste Rilke Aufsätze zur Kunst und Kultur, eine
Monografie von des Bildhauers Auguste Rodin, einen Roman sowie zahlreiche Übersetzungen, hauptsächlich aus französischen
Texten. Viele der Briefe (es heisst, es wurden über 10.000), die er an Geliebte, Freunde, Künstler und Gönner
geschrieben hat, und die einen Großteil seines Schaffen ausmachen, gingen verloren.
Rilke lebte ein kompromissloses Leben als Individualist, in dem er sehr direkt an seiner Verwirklichung als Dichter
arbeitet. Immer wieder kündigt er Beziehungen und Lebensweisen auf, wenn er diese Verwirklichung bedroht sah. Was
Rilke interessant macht ist seine unbedingte Authentizität, die er lebenslang bewahrt hat.
Die Kindheit und Erziehung
1875, am 4. Dezember, wurde Rainer Maria Rilke als Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke (genannt René) in Prag
geboren. Die Eltern sind Sophie Rilke (geboren 1851), geborene Entz, und Josef Rilke (geboren 1838). Josef Rilke war
eine Beamter bei der Eisenbahn. Die Mutter entstammt einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie.
1884 Trennung der Eltern, das neunjährige Kind bleibt für zwei Jahre bei seiner Mutter.
1886 Von 1886 bis 1890 besucht Rilke auf Geheiß des Vaters die Militär-Realschule St. Pölten. Er soll auf eine
Offizierslaufbahn vorbereitet werden. Rilke schreibt seine ersten Gedichte.
1890 Von 1890 bis 1891 Besuch der Militär-Oberrealschule in Mährisch-Weißkirchen. 1891 wurde er aus gesundheitlichen
Gründen entlassen. Bis 1892 Unterricht an der Handelsakademie in Linz sowie Privatunterricht in Prag, Privatunterricht,
Vorbereitung auf das Abitur.
1894 Rilkes erster Gedichtband "Leben und Lieder" erscheint.
Die Entfaltung
1895 Rilke wich endgültig der Offizierslaufbahn aus und strebt ein Leben alleine als Schriftsteller an. Im
Wintersemester 1895 beginnt er das Studium der Kunst- und Literaturgeschichte, sowie der Philosophie in Prag, München
und Berlin. Sein zweiter Gedichtband "Larenopfer" erscheint.
1896 Aufführung von "Jetzt und in der Stunde unseres Absterbens". Beginn des Studiums in München.
1897 begegnet er Lou Andreas-Salomé (1861-1937). Er verliebt sich in die 14 Jahre ältere Frau. Im Oktober des Jahres
1897 folgt der 22-jährige Rilke Lou nach Berlin. Im selben Jahr erscheint "Traumgekrönt". Das Drama "Im Frühfrost"
wird uraufgeführt. Auf Vorschlag von Lou ändert er seinen Namen in Rainer Maria Rilke.
1898 reist Rilke. Er schreibt das "Florenzer Tagebuch" und beginnt "Das Schmargendorfer Tagebuch". "Advent", "Am
Leben hin" und "Ohne Gegenwart" werden veröffentlicht.
1899 reist er mit Lou und ihrem Mann Andreas Salomé nach Rußland. Es wird eine Erfahrung, die ihn sein Leben lang
prägt. Das Land, die Menschen, die »russische Seele« beeindruckten ihn tief. Er wird später sagen, sie seien ein
Fundament seiner Dichtung geworden. Nach der Reise lebt er in Berlin.
Im Herbst entsteht die erste Fassung der "Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke". Der "Cornet" wurde
eines seiner bekanntesten Werke. "Zwei Prager Geschichten", "Mir zur Feier" und "Die weiße Fürstin" werden
veröffentlicht.
Der Schaffende
1900 unternimmt Rilke die zweite Rußland-Reise mit Lou. Er begenet Tolstoi. Gegen Herbst folgt er einer Einladung
des Malers Heinrich Vogeler in die Künstler-Kolonie Worpswede. Er nimmt an, behält aber seine Wohnung in Berlin bis
1901. Er beginnt das "Worpsweder Tagebuch". "Vom lieben Gott und Anderes" wird veröffentlicht.
1901, am 28. April heiratet er die Bildhauerin Clara Westhoff (1878-1954), die er in Worpswede kennen lernte. Am
12. Dezember kommt die Tochter Ruth zur Welt (1901-1972). Er schreibt weiter am "Stundenbuch". "Die Letzten" wird
veröffentlicht. "Das tägliche Leben" wird uraufgeführt.
1902 lebt Rilke mit seiner Frau und seiner Tochter in Westerwede. Das Ehepaar trennt sich in diesem Jahr. Rilke sah
sein Schaffen, seine Einsamkeit bedroht (Schiller sagte einmal, die Frau eines Künstlers müsse "die Hüterin seiner
Einsamkeit" sein; Rilke gebraucht den Begriff "Wächterin") Rilke reist. Er lebt ab Oktober in Paris, wo er als Sekretär
des weltberühmten Bildhauers Auguste Rodin arbeitet. Er schreibt nicht nur für, sondern auch über ihn. "Das tägliche
Leben" und das "Buch der Bilder" werden veröffentlicht.
1903 reist Rilke nach Italien und in Frankreich. Er schreibt weiter am "Stundenbuch". Das "Worpsweder Tagebuch" und
"Auguste Rodin" werden veröffentlicht.
1904 lebt Rilke bis Juni in Rom. Für den Rest des Jahres hält er sich in Dänemark und Schweden auf. Er beginnt die
"Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", in denen er seine Paris-Erfahrungen verarbeitet. Er fängt die Schrecken der
Großstadt ebenso auf wie die Unwägbarkeiten der heraufziehenden Moderne. Die zweite Fassung der "Weise von Liebe und
Tod des Cornets Christoph Rilke" erscheint.
1905 trifft er dem Verleger Anton Kippenberg und beginnt die Zusammenarbeit mit dem Insel-Verlag. Das "Stundenbuch"
erscheint.
1906, am 14. März stirbt der Vater in Prag. Das "Buch der Bilder" wird in einer zweiten Auflage gedruckt.
1907 reist Rilke, u.a. nach Capri. Die "Neuen Gedichte" erscheinen im Dezember.
1908 lebt Rilke wieder auf Capri. Im November schreibt Rilke die Requien für Paula Modersohn-Becker ("Für eine
Frendin") und für Wolf Graf von Kalckreuth. Das Requiem für den verstorbenen Grafen schließt mit der berühmten Wendung:
"Wer spricht von siegen? Überstehn ist alles." "Der neuen Gedichte anderer Teil" erscheint.
1909 wohnt Rilke in Paris. Er lernt die Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe kennen.
1910 folgt Rilke einer Einladung der Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe auf das Schloß Duino. Die
"Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" erscheinen. Dies bleibt Rilkes einziger Roman. Seine sonstige Prosa
(z.B. "Die Turnstunde", 1902) findet man in seinen Briefen. Der "Malte" ist einem Tagebuch ohne durchgängige Handlung,
in lyrischer Sprache. Er ist auf menschliche Weise - schrecklich. Rilke sagt in einem Brief, er sei wie eine negative
Form, aus der sich, wenn man sie denn ausgösse, etwas wunderbares ergibt.
1911 lebt Rilke in Paris und, einer Einladung der Fürstin Marie von Thurn und Taxis (1855-1934) folgend, auf Schloß
Dunio in der Adria.
Der Meister
1912 entstehen die beiden ersten "Duineser Elegien". Den berühmten Auftakt "Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn
aus der Engel / Ordnungen?" hat er, wie er sagt, während eines Gangs hinunter an das Meer gehört. Er lebt einen Teil
des Jahres in Venedig. Eine Spanienreise führt ihn nach Toledo, Cordoba und Sevilla. Eine arbeitet an Übersetzungen
für den Insel-Verlag.
1913 hält er sich zunächst in Ronda (Spanien) auf. Er lebt wieder in Paris. Das "Marienleben" wird veröffentlicht.
1914 lebt er in Paris, bleibt aber bei Kriegsausbruch während einer Deutschlandreise - unbeabsichtigt - im Land
zurück.
1915 erfolgt die Musterung zum Militärdienst. Im November entsteht die vierte Duineser Elegie.
1916 arbeitet Rilke ein halbes Jahr im Kriegsarchiv in Wien. Er wurde nur für bedingt tauglich befunden, und deshalb
dorthin versetzt.
1917 und 1918 lebt er wieder in München.
1919 führt ihn eine Vortragsreise durch die Schweiz.
1920 reist er wieder nach Venedig, und lebt Ende des Jahres in Berg am Irchel bei Zürich.
1921 entdeckt Rilke das Chateau de Muzot bei Sierre im Wallis für sich. Seine Förderer, die Brüder Reinhart, mieten
es zunächst und kaufen es später für ihn. Auf Muzot verbringt Rilke den Rest seines Lebens.
1922 vollendet Rilke nach langer und schmerzlich empfundener Schaffenspause, die 1912 begann, im Februar die "Duineser
Elegien" und schreibt alle "Sonette an Orpheus". Er trägt damit zur Weltliteratur bei. Schloß Dunio wurde im
1. Weltkrieg größtenteils zerstört. Seine Tochter Ruth heiratet im selben Jahr Dr. Carl Sieber. Rilkes leben wird ab
nun immer stärker von Krankheit überschattet.
1923 werden die "Duineser Elegien" und die "Sonette an Orpheus" in "der Insel" veröffentlicht.
1924 reist Rilke durch die Schweiz und schreibt weitere Gedichte. Er wird nun regelmässig in Sanatorien behandelt,
doch man kann seine Beschwerden nur lindern.
1925 reist Rilke letztmalig nach Paris. Ende des Jahres lässt er sich erneut im Sanatorium Val-Mont bei Montreux
behandeln.
1926 verbringt er noch bis Ende Mai in Val-Mont. Seine Krankheit wird endlich als seltene Form der Leukämie erkannt.
Rilke reist ein letztes Mal. Im Dezember begibt er sich wieder nach Val-Mont. Dort stirbt Rilke am Morgen des
29. Dezember im Alter von 51 Jahren.
1927 wird Rainer Maria Rilke am 2. Januar auf dem Friedhof von Raron beigesetzt.
Siehe auch | ( ) |
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