(XXIX) Stiller Freund der vielen Fernen...
Stiller Freund der vielen Fernen, fühle,
wie dein Atem noch den Raum vermehrt.
Im Gebälk der finsteren Glockenstühle
laß dich läuten. Das, was an dir zehrt
wird ein Starkes über dieser Nahrung.
Geh in der Verwandlung aus und ein,
Was ist deine leidenste Erfahrung?
Ist dir Trinken bitter, werde Wein.
So in dieser Nacht aus Überdruß
Zauberkraft am Kreuzweg deiner Sinne,
ihrer seltsamen Begegnung Sinn.
Und wenn dich das Irdische vergaß,
zu der stillen Erde sag: Ich rinne.
Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.
Rainer Maria Rilke
(1875-1926)
Aus: Die Sonette an Orpheus / Zweiter Teil
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